Prof. R. Z. Bulirsch verstorben

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Zweitmitglied an der Fakultät für Informatik aus der Fakultät für Mathematik

+ Prof. Roland Bulirsch (Foto: TUM)

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Roland Zdenek Bulirsch ist 1932 in Reichenberg/Böhmen (heute Liberec in der Tschechischen Republik) geboren. Er wurde 1946 zwangsweise "ausgesiedelt" und kam nach Bayern. Ein Jahr später begann er eine Ausbildung zum Maschinenschlosser bei Siemens-Schuckert in Nürnberg, die er 1951 mit der Gesellenprüfung abschloss. Auf dem Zweiten Bildungsweg machte er 1954 das Abitur an der Oberrealschule in Nördlingen und begann sodann ein Studium der Mathematik und Physik an der Technischen Hochschule München, das er 1959 mit dem Diplom abschloss. 1961 folgte die Promotion mit einem von Prof. Klaus Samelson gestellten Thema, 1965 dann die Habilitation für Mathematik. 1967 wurde er Associate Professor an der University of California, San Diego, die ihm 1968 einen Ruf als Full Professor erteilte. Er ging jedoch als ordentlicher Professor für Angewandte Mathematik an die Universität Köln und 1973 zurück an die Technische Universität München als ordentlicher Professor für Höhere und Numerische Mathematik. Dort wurde er auf den Lehrstuhl von Prof. Friedrich Ludwig Bauer berufen, der auf einen Lehrstuhl für Informatik wechselte. Prof. Bulirsch war über viele Jahre zeitweilig Gastprofessor in San Diego.

1991 wählte ihn die Bayerische Akademie der Wissenschaften zu ihrem ordentlichen Mitglied, 1998 übernahm er den Vorsitz der Kommission für die Herausgabe der Werke von Johannes Kepler. Prof. Bulirsch war auch Zweitmitglied der 1967 gegründeten Fakultät für Informatik der TUM. Bis zu seiner Emeritierung 2002 hatte er sich vielfältig um die TUM und insbesondere die Fakultäten für Mathematik und Informatik verdient gemacht. Er war Mitglied des Senats der TUM und zweimal Dekan der Fakultät für Mathematik. Prof. Bulirsch war die treibende Kraft beim Aufbau des Diplomstudiengangs Technomathematik. Er kann als einer der Gründungsväter der Numerischen Mathematik in Deuschland bezeichnet werden, dessen zweibändiges Lehrbuch "Stoer/Bulirsch: Numerische Mathematik" jahrzehntelang ein Standardwerk war. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde Prof. Bulirsch vielfach ausgeszeichnet, so etwa mit der Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg, der Technischen Universität in Liberec, der Technischen Hochschule Athen und der Vietnamischen Akademie der Wissenschaften und Technologie in Hanoi. 1998 wurde er Mitglied des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst. Diese außerordentliche Auszeichnung des Freistaates Bayern ist jeweils nur 100 lebenden Ordensträgern vorbehalten.

Für viele Zeitgenossen verkörperte Prof. Bulirsch das Ideal eines Mathematikers: Er konnte auch Kompliziertes einfach erklären. Dabei ließ er sich nach Aussagen von Prof. F. L. Bauer und Prof. Arndt Bode weder der Reinen noch der Angewandten Mathematik zurechnen. Er sei eben ein ganzheitlicher Mathematiker, was auch das Interesse an den Nachbargebieten einschließt, so an der Informatik und an der Astronomie. Sein ingenieurwissenschaftlich ausgerichtetes Verständnis der Angewandten Mathematik trug dazu bei, dass die Optimalsteuerung von Differenzialgleichungssystemen heute fester Bestandteil in industrieller Forschung und Entwicklung ist. Anderen Zeitgenossen galt er als kreativer und erfrischend unkonventioneller Wissenschaftler sowie als begeisternder akademischer Lehrer, dessen Schülerschar eine Generation glänzender Mathematiker prägte. In seinem Nachruf bezeichnet der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder Prof. Bulirsch als einen "Förderer der weltweiten Zusammenarbeit, der als Forscher, Autor und akademischer Lehrer das Wissenschaftsland Bayern bereichert hat". Am 21. September 2022 verstarb der hoch geschätzte Emeritus in seiner Heimatgemeinde Gauting im Landkreis Starnberg.